Predigt zum 30. Geburtstag der
Basisgemeinde MCC-Hamburg 2018
Prediger: Pastor Thomas Friedhoff
Aus Nehemia 9
„Am 24. Tag desselben Monats versammelten sich die Israeliten zu einem
Fasttag … Sie erhoben sich von ihren Plätzen und drei Stunden lang wurde ihnen
aus dem Gesetzbuch des HERRN, ihres Gottes, vorgelesen. Dann warfen sie sich
vor dem HERRN nieder und bekannten ihm ihre Verfehlungen, ebenfalls drei
Stunden lang. … Und die Leviten beteten dem Volk vor:
„… Unsere Vorfahren wurden unterdrückt in Ägypten – du sahst es und griffest ein. Am Schilfmeer schrien sie zu dir um Hilfe -
du hörtest es und schicktest Rettung.
Der Pharao, seine Minister und sein Volk behandelten unsere Väter mit Hochmut.
Da zeigtest du ihnen deine Macht und ließest sie deine gewaltigen Taten spüren.
So machtest du dir einen großen Namen, er wird gerühmt bis zum heutigen Tag.
Vor den Augen unserer Vorfahren zerteiltest du das Meer, trockenen Fußes zogen
sie mitten hindurch. Doch ihre Verfolger stürztest du in die Fluten, wie Steine
sanken sie in die Tiefe.
Du leitetest sie bei Tag durch eine Wolkensäule und nachts erhelltest du ihren
Weg mit dem leuchtenden Schein der Feuersäule. Du kamst hernieder auf den Berg
Sinai, du sprachst zu ihnen vom Himmel her. Klare Ordnungen gabst du ihnen,
Gesetze, die das Leben verlässlich regeln, mit guten Vorschriften und Geboten.
Als der Hunger sie plagte, gabst du ihnen Brot vom Himmel; aus dem Felsen
ließest du Wasser strömen, um ihren Durst damit zu löschen. …
Du aber, in deinem großen Erbarmen, hast sie dort in der Wüste nicht verlassen.
Du nahmst die Wolkensäule nicht weg, sie blieb ihr Begleiter an jedem Tag; und
die Feuersäule leuchtete ihnen, damit sie auch nachts ihren Weg erkannten.
Du gabst ihnen deinen guten Geist, um sie zu rechter Einsicht zu führen. Auch
weiterhin sättigtest du sie mit Manna und gabst ihnen Wasser für ihren Durst.
Vierzig Jahre, bei ihrem Zug durch die Wüste, versorgtest du sie mit dem, was
sie brauchten. Ihre Kleider zerfielen nicht zu Lumpen, ihre Füße schwollen vom
Gehen nicht an.“
Um heute etwas über unsere Gemeinde und ihren Weg durch die Zeiten
zu predigen, dazu hätte ich ja 1000 Bilder und Motive aus der Bibel wählen
können. Dies eine von dem Volk in der Wüste, das habe ich in den vergangenen 30
Jahren sooft schon strapaziert, das hätte heute nicht nochmal kommen müssen.
Dass es nun trotzdem nochmal kommt, hat vor allem damit zu tun, dass mich deren
40 Jahre in der Wüste einfach nicht losgelassen haben.
Diese Geschichte von den ehemaligen Sklaven auf der Suche nach
einem Land wo Milch und Honig fließt, lässt sich ja sehr unterschiedlich
erzählen. In der Fassung im Nehemia-Buch, die wir gerade gehört haben, lockert
sich nach 150 Jahren so langsam die persische Besatzung Judäas. Was wir heute
als Judentum kennen, beginnt sich mit dem Wiederaufbau des zerstörten Jerusalem
zu konstituieren. Als das losgeht, wird diese Geschichte feierlich vorgetragen.
So oder ähnlich - sehr heroisch, sehr motivierend - haben wir sie
wahrscheinlich auch im Ohr. Wir kennen sie als Grundmotiv, an das
Menschen/Staaten/Gemeinden sich quer durch die Geschichte immer wieder
andocken. Als ein Narrativ, mit dem sie ihren Weg deuten. Was ich aber für
diesen Moment vorschlagen möchte, ist, dass wir eben noch mal ein paar hundert
Jahre zurückgehen und uns ein bisschen in die Situation der Menschen damals
hineinversetzen. Bevor man ahnen konnte, dass das, was sie erlebten,
Gründungsidee des Judentums werden sollte. Bevor Gruppen/Länder/Kirchen
begonnen hatten, sich auf diese Geschichte zu beziehen. Also, als die Menschen
mittendrin waren in der Geschichte, sagen wir mal nach 30 Jahren in der Wüste.
Da klang das ungefähr so:
Aus 4. Mose 13+14
Der HERR sagte zu Mose: »Sende Leute aus, damit sie das Land Kanaan
erkunden, das ich dem Volk Israel geben will. Nimm dazu aus jedem der zwölf
Stämme einen der führenden Männer!« …
Die Kundschafter werden ausgewählt und Moses beauftragt sie:
Seht euch Land und Leute genau an! Erkundet, wie viele Menschen dort wohnen und
wie stark sie sind. Achtet darauf, ob ihre Städte befestigt sind oder nicht.
Seht, ob ihr Land fruchtbar ist und ob es dort Wälder gibt. Habt keine Angst
und bringt Proben von den Früchten des Landes mit.« …
Die zwölf Männer machten sich auf den Weg und erkundeten das Land… Nach vierzig
Tagen hatten die zwölf Männer ihre Erkundung abgeschlossen und kehrten zu Mose
und Aaron und der ganzen Gemeinde Israel nach Kadesch
in der Wüste Paran zurück. Sie erzählten, was sie
gesehen hatten, und zeigten die mitgebrachten Früchte vor. Sie berichteten
Mose: »Wir haben das Land durchzogen, in das du uns geschickt hast, und wir
haben alles genau angesehen. Es ist wirklich ein Land, das von Milch und Honig
überfließt. Sieh hier seine Früchte! Aber die Leute, die dort wohnen, sind
stark und ihre Städte sind groß und gut befestigt. …«
Das Volk war aufgebracht gegen Mose, aber Kaleb beruhigte die
Leute und rief: »Wir können das Land sehr wohl erobern! Wir sind stark genug!«
Doch die anderen Kundschafter sagten: »Wir können es nicht! Das Volk im Land
ist viel stärker als wir!« Sie erzählten den Israeliten schreckliche Dinge über
das Land, das sie erkundet hatten. »In diesem Land kann man nicht leben, es
verschlingt seine Bewohner«, sagten sie. »Alle Männer, die wir gesehen haben,
sind riesengroß, besonders die Nachkommen Anaks! Wir
kamen uns ihnen gegenüber wie Heuschrecken vor und genauso winzig müssen wir
ihnen vorgekommen sein!«
Die ganze Gemeinde Israel schrie laut auf vor Entsetzen und die Leute weinten
die ganze Nacht. Alle miteinander lehnten sich gegen Mose und Aaron auf, sie
murrten und sagten »Wären wir doch lieber in Ägypten gestorben oder unterwegs
in der Wüste! Warum will der HERR uns in dieses Land bringen? Wir werden im
Kampf umkommen und unsere Frauen und kleinen Kinder werden den Feinden in die
Hände fallen. Es wäre besser, wir kehrten wieder nach Ägypten zurück!«
Die meisten von ihnen hatten ja nie was Anderes erlebt, als ihr
Nomadendasein in der Wüste. Und natürlich war ihnen allen die alte Geschichte
vertraut, die unter ihnen erzählt wurde: Ein paar von den ganz Alten hatten es
noch miterlebt - wie sie früher Sklaven waren. Wie die Ägypter sie geschunden
hatten, ausgebeutet, unterdrückt. Aber das alles war so dermaßen lange her. So
langsam verblasste die Erinnerung daran. Ägypten und die Sklaverei war für sie
so was Ähnliches, wie wenn wir MCC-Altvorderen davon erzählen, wie das vor 30
Jahren mit Schwulen und Lesben in den Kirchen war. Von Menschen, die nicht mehr
am Abendmahl teilnehmen durften, oder denen untersagt wurde, sich weiter in
ihren Gemeinden zu engagieren, wenn sie sich geoutet hatten. Von den
„Amtszuchtverfahren“ gegen schwule Pastoren. Von Eltern von Lesben und
Schwulen, denen vorgeworfen wurde, dass sie ihre Kinder falsch erzogen hätten.
Kann man sich heute kaum noch vorstellen, aber damals war das so.
Und was das für eine ungeheure Befreiung war, als wir das hinter uns gelassen
haben. Die Menschen damals in der Wüste hatten die alten Geschichten noch im
Ohr, wie die Sklaven den Ruf Gottes in die Freiheit gehört hatten, wie das Rote
Meer sich vor ihnen teilte, so dass sie trockenen Fußes in die Freiheit
gelangten. Wir erzählen staunenden Nachgeborenen von dieser unglaublichen
Freiheit, die es für uns bedeutet hat, uns nicht mehr rechtfertigen zu müssen
für unsere sexuellen Orientierungen, für unsere Identitäten, uns keine
Denkschriften zur „Homosexuellenfrage“ mehr anhören zu müssen. Sondern diesen
ganzen Quatsch hinter uns zu lassen und zu leben und zu glauben und Gemeinde zu
bauen, wie es für uns gut und richtig war. Was dieser Aufbruch in die Freiheit
für eine Energie freisetzte, geneinsam was Neues zu schaffen – toll.
Das lag hinter ihnen. Doch das alles war schon so lange her, was
soll das noch bedeuten? Außerdem war Ägypten auch nicht mehr das, was es mal.
Da hat sich viel getan mittlerweile, ebenso wie in den Kirchen heute. Und wenn
ihnen ihre Wüste mal wieder viel zu wüst vorkommt, dann kommen diese Storys auf
von den „Fleischtöpfen Ägyptens“. Scheiß auf die Freiheit, unsere Vorfahren
waren damals wenigstens satt. Könnten wir auch sein. In die Kirche um die Ecke
könnten wir einfach so gehen. Sicher gibt es immer noch welche, in denen wir
auch heute noch Probleme hätten. Aber mit denen müssen wir ja nichts zu tun
haben. In den anderen brauchten wir nichts machen, sondern an den
Fleischtöpfen, die die dahaben, könnten wir uns einfach bedienen… Irgendwann
beginnen die alten Geschichten, warum sie aus der Knechtschaft in die Wüste
gezogen, halt zu verblassen.
Was vor ihnen lag, was sie am Laufen hielt, war die Hoffnung auf
dies Land, wo Milch und Honig fließt. Wenn wir uns das mal vorzustellen
versuchen: Da zieht so eine kleine Gruppe von Nomaden durch die Wüste, immer
dahin, wo es ein bisschen Wasser gibt, wo ihre Herden was zu fressen finden.
Sie sind frei, das ist toll. Doch oft, wenn sie mal wieder an so einer
befestigten Oasen-Stadt vorbeikommen, die Quellen eingezäunt, die Weiden
bewacht – Nomaden sind hier unerwünscht! – dann fällt es ihnen ganz schön
schwer, die StädterInnen nicht zu beneiden. Schön und gut, sie sind frei. Doch
die Städter da hinter ihren dicken Mauern, die sind satt. Aber wir
geben die Hoffnung nicht auf – irgendwann werden auch wir wo ankommen, wo wir
es uns gut gehen lassen. Wir werden Land finden, das nur auf uns wartet, wo wir
satt werden können. Wir werden ein Land finden, wo Milch und Honig fließt.
Dass die Städter hinter ihren hohen Mauern, dass die umgekehrt sie
um ihre Freiheit beneiden könnten, auf die Idee wären sie nie im Leben
gekommen. Und was sie mit den StädterInnen gemein hatten, war, dass deren
Sattheit ja auch nicht von selbst kam. Die Nomaden mussten ihren kargen
Lebensunterhalt ihren Viehherden abringen. Die Städter ackerten auf ihren
Feldern, in ihren Werkstätten oder trieben Handel. Arbeiten und sich mühen, um
satt zu werden, mussten die einen wie die anderen. So einen Traum von gratis
fließender Milch und Honig mögen die hinter den Mauern genauso geträumt haben
wie die freien Nomaden.
So oder so, wir können es an dieser Stelle kurz machen: Das ist
ein netter Traum. Aber so ein Land gibt es nicht. Gab es damals nicht, und gibt
es heute nicht. Die Nomaden hatten Kundschafter ausgeschickt. Ein paar von
denen erzählen zwar, dass sie in Kanaan sowas gesehen haben. Aber Fakt ist: Da
- also ungefähr da, wo Israel heute liegt - fließen weder Milch noch Honig.
Das, was die Nomaden in der Wüste erträumen, das ist so eine Art
Schlaraffenland, das ihnen umsonst und ohne jede Anstrengung zufallen soll.
Aber so ein Schlaraffenland, das nur darauf wartet, dass wir uns da reinsetzen
und es uns gut gehen lassen, das gibt es einfach nicht.
Vielleicht ahnen die das in der Geschichte schon, dass das was die einen
Kundschafter ihnen da erzählen, von Milch und Honig und supergroßen Früchten,
dass das ein paar Nummern zu groß ist, zu bunt und zu aufgeblasen. Wir kennen
das von amerikanischen MCC-Jubelstorys über „historische Durchbrüche“ zu einer
absolut goldenen Zukunft unserer Gemeinden. Wie die auch oft in diesen
Phantasien von Milch und Honig schwelgen. Wie wenig die mit unserer Realität
als Gemeinde zu tun haben. Und wie wichtig das ist, uns davon nicht in die Irre
führen zu lassen. Genauso wenig wie von den Ängsten, Befürchtungen und
Horrorvisionen, die die anderen Kundschafter an die Wand malen.
Ein superspannender Punkt, an dem sie sich befinden: Von der Wüste
hatten sie langsam genug. Die alte Geschichte, warum sie frei und ungebunden
als Nomaden durch die Wüste irrten, ist am Verblassen, so dass das Zurück nach
Ägypten kein Schreckensszenario mehr ist, sondern ein Traum von Fleischtöpfen
wird. Und so langsam beginnt das auch dem/der Letzten zu dämmern, dass die
Visionen von Milch und Honig, die nur auf sie warten, dass das Märchenträume
sind. Stattdessen kippt der Traum vom Schlaraffenland zum Albtraum von
menschenfressenden Riesen. Ganz gleich, wo sie hinwollen – in der Wüste
bleiben, in das neue Land vor ihnen, zurück nach Ägypten – alles hat seinen
Reiz, doch überall lauern Risiken, Strapazen, Gefahren. Nix versprach ihnen,
risikofrei, umsonst und ohne Anstrengung zuteil zu werden.
Die Nomaden entscheiden sich dann, weiterzuziehen. Die Irrungen,
Wirrungen, Triumphe und Niederlagen ihres Weges, die kann der Nehemia dann ein
paar hundert Jahre später bejubeln als Weg Gottes, auf dem er sein Volk in die
Freiheit und zu ihrem Land führt. Ihr Erleben nutzt Nehemia als Grundlage
seiner Entscheidung. Und die hatte es ja auch in sich: Das war 150 Jahre her,
dass Jerusalem zerstört worden war, dass Judäa ausgelöscht wurde. Mittlerweile
hatte man sich ganz gut an das Leben, erst unter babylonischer, dann unter
persischer Herrschaft gewöhnt. Diesen alten Geschichten nachzuträumen, von Gott
und von der Freiheit, zu der er sein Volk berufen hat, das hätte man sich auch
schenken können. Einen neuen Exodus zurück aus dem sicheren und komfortablen
Persien in die Ruinenfelder dessen, was mal Jerusalem war, und da in den
Trümmern bei null wieder neu anzufangen und die nächsten Irrungen und Wirrungen
des Gottesvolkes hinzulegen, das hatte sich ja nicht von selbst ergeben,
sondern das war eine Entscheidung.
So wie auch wir immer wieder zu entscheiden haben, was wir wollen.
Dazu müssen wir deuten, was uns widerfährt und was wir vor uns vermuten: Warten
da Milch, Honig und große Früchte auf uns? Oder drohen uns Riesen? Oder was ist
das da eigentlich, dieser komische Dunst – ein ewig drohendes Gewitter? Und
dass nachts das Licht nie ausgeht? Können die nicht endlich mal die Feuer
ausmachen, dass man schlafen kann? Andere sagen: Das ist Gott, der uns
vorangeht, tags in einer Wolkensäule und nachts im Feuer. Dem widersprechen
wieder andere: Wenn das Gott ist, warum führt er uns dann im Zickzack und in
Sackgassen und immer kreuz und quer? Andererseits, wenn es nicht Gott wäre,
hätten wir diese tollen Stationen nie erlebt, an die er uns geführt hat. Wenn
ich das jetzt mit Beispielen aus unsern letzten 30 Jahren illustrieren wollte,
dann würde das eine sehr lange Predigt werden. Allein diese Wundergeschichten
um diesen Raum herum, wie bei der Renovierung immer genau dann, als es nötig
war, genau die Menschen auftauchten, die genau das konnten, was gerade
gebraucht wurde, wovon wir anderen keine Ahnung hatten. Oder wie beim Einzug
klar war, finanziell würden wir das hier 1 ½ Jahre schaffen. Nun sind wir schon
15 Jahre hier und kriegen es immer wieder gestemmt, was das an finanzieller
Herausforderung bedeutet. Da ließe sich eine einzige Aneinanderreihung von
Wundern allein aus unserer Kassensituation erzählen…
Darüber könnten wir ununterbrochen jubilieren. Doch genauso gut,
können wir den permanenten Mangel beklagen, der sich in diesen Geschichten
verbirgt (können uns keine Handwerker leisten, warum kann unsere Kasse nicht
mal so voll sein, dass wir uns keine Sorgen machen müssen?) Was die Kundschafter
sehen, deuten die einen als Milch und Honig, die anderen nehmen schrecklich
bedrohliche Riesen wahr. Erzähl doch nichts von Wolkensäule, die uns einen
guten Weg führt, da baut sich ein enormes Gewitter auf, und Gnade uns Gott,
wenn das losgeht. Auch nach 30 Jahren kommen wir aus der Nummer nicht raus,
dass wir deuten müssen, was uns widerfährt – ist das ewiger Mangel, mit dem wir
uns rumschlagen, oder führt Gott uns einen guten Weg über tolle Stationen? Wir
müssen entscheiden, wie wir was deuten, was wir tun wollen, wohin wir gehen
wollen.
Und wenn unsere Entscheidung steht, dass wir den Weg weitergehen
wollen, vielleicht könnten wir das Klagen darüber irgendwann mal einstellen,
dass wir nicht über Milch, Honig, oder Fleischtöpfe stolpern, an denen wir uns
einfach nur bedienen können. Oder dass wir dauernd begeistert zu sein haben
über die Wolkensäule vor uns und wohin die uns führt, also dauernde
Hochstimmung von uns zu erwarten, das können wir uns auch langsam mal schenken.
Denn das kriegen wir nicht als Dauerzustand hin. Müssen wir auch nicht. Aber
dass wir immer wieder mal innehalten – wie an diesem Wochenende - zurückschauen
und uns freuen über den Weg, den Gott uns geführt hat, das ist was Gutes. Und
wenn das Zurückschauen und Feiern, dass Gott uns 30 Jahre gut geführt hat, zu
Ende ist, und wir ab morgen wieder damit umzugehen haben, wie es an der
aktuellen Weggabelung weitergehen soll, dann ist es wichtig, dass wir klar
haben, was das hier ist – jenseits aller Phantasien oder Bedrohungsszenarien:
Hier ist Freiheit. Hier ist Möglichkeit, wie wir leben, wie wir
glauben oder nicht glauben angstfrei mit anderen Menschen zusammenzuzubringen
und gemeinsam was daraus zu machen. Etwas, was uns und den Menschen um uns
herum guttut. Das wird nach 30 oder nach 40 Jahren oder wann auch immer nicht
anders sein, dass das erkämpft und erarbeitet werden will – nix Milch, Honig
und Fleischtöpfe. Doch wen das nicht schreckt, wer Lust hat auf Freiheit und
darauf, sie mit zu gestalten, der/die sei herzlich eingeladen, den Weg
mitzugehen, auf den Gott uns gerufen hat.
Last not least wissen wir das besser, als das Gejubel des Nehemia dass ihre „Füße vom Gehen“ nicht anschwollen. Beim
Feiern lassen sich die geschwollenen Füße schon mal vergessen. Aber wenn unser
Jubel- Wochenende rum ist, dann werden wir sie wohl wieder spüren, die
Verschleißerscheinungen nach 30 Jahren Wüste, die Müdigkeit, den Muskelkater.
Aber – was soll’s? – ich finde ja nach wie vor, die Freiheit, die wir hier
leben, ist die Blasen an den Füßen wert…
Amen
© Thomas Friedhoff